Betriebsrat

Betriebs­rat im Start-up: Geht das?

In nam­haf­ten Groß­kon­zer­nen und eta­blier­ten Unter­neh­men gehört die Betriebs­rats­ar­beit fest zum Arbeits­all­tag. Im Start-up sucht man Betriebs­rä­te hin­ge­gen meist ver­ge­bens. Das liegt nicht zuletzt am schlech­ten Ruf des Betriebs­rats, der als ver­al­tet und schäd­lich für das Unter­neh­men gilt. Ver­hin­dern darf ein Arbeit­ge­ber die Grün­dung einer Arbeit­neh­mer­ver­tre­tung aller­dings nicht – das ist nicht nur gesetz­lich gere­gelt, son­dern liegt auch im Inter­es­se des Arbeit­ge­bers selbst. Die Betriebs­rats­ar­beit bringt näm­lich nicht nur für die Ange­stell­ten, son­dern auch für Füh­rungs­kräf­te zahl­rei­che Vor­tei­le mit sich. Wir erklä­ren, war­um der Betriebs­rat bes­ser als sein Ruf ist und wie Start-ups davon pro­fi­tie­ren können.

Was ist ein Betriebsrat?

Der Betriebs­rat ist ein von der Beleg­schaft eines Betriebs gewähl­tes Gre­mi­um, das der Inter­es­sen­ver­tre­tung der Arbeit­neh­mer dient. Er hat in bestimm­ten sozia­len, per­so­nel­len und wirt­schaft­li­chen Ange­le­gen­hei­ten ein Mit­spra­che­recht. Außer­dem kommt ihm eine Rei­he von Auf­ga­ben zu, die all­ge­mein das Ziel ver­fol­gen, die Sicher­heit, Gesund­heit und Zufrie­den­heit der Mit­ar­bei­ter zu wah­ren und zu för­dern. Das wich­tigs­te Regel­werk zur Betriebs­rats­ar­beit ist das Betriebs­ver­fas­sungs­ge­setz (BetrVG). Die letz­te Neu­fas­sung stammt aus dem Jahr 1972. Das trägt dazu bei, dass die Betriebs­rats­ar­beit gera­de in jun­gen Start-ups als ver­al­tet gilt. 

Betriebs­rat im Start-up – Ist das über­haupt möglich?

Vie­le Berufs­tä­ti­ge befin­den sich in dem Irr­glau­ben, dass ein Betriebs­rat nur in gro­ßen, eta­blier­ten Unter­neh­men exis­tiert. Das ist aller­dings nicht der Fall. Recht­lich gese­hen darf ein Betriebs­rat bereits in Unter­neh­men zusam­men­kom­men, in denen min­des­tens fünf stän­dig wahl­be­rech­ti­ge Arbeit­neh­mer beschäf­tigt sind. Vor­aus­set­zung ist, dass drei von die­sen wähl­bar sind. Stän­dig wahl­be­rech­ti­ge Arbeit­neh­mer sind alle Mit­ar­bei­ter eines Betriebs, die min­des­tens 18 Jah­re alt sind. Wähl­bar sind alle Arbeit­neh­mer, die seit min­des­tens sechs Mona­ten dem Betrieb ange­hö­ren. Gera­de für Start-ups inter­es­sant: Die­se Frist ent­fällt, wenn der Betrieb noch kei­ne sechs Mona­te existiert!

Betriebs­rat: Ein Recht, aber kei­ne Pflicht

Wenn die genann­ten Vor­aus­set­zun­gen erfüllt sind, darf der Arbeit­ge­ber sei­ne Ange­stell­ten nicht von der Grün­dung eines Betriebs­rats abhal­ten. Wer die Betriebs­rats­ar­beit behin­dert oder beein­träch­tigt, muss mit Geld- oder Frei­heits­stra­fen rech­nen (§119 BetrVG). Zur Grün­dung eines Betriebs­rats ver­pflich­tet ist den­noch nie­mand. Wenn die Beschäf­tig­ten von die­sem Recht abse­hen, ist das natür­lich auch legitim. 

Betriebs­rats­wah­len

Der Betriebs­rat wird in der Regel alle vier Jah­re zwi­schen dem 1. März und dem 31. Mai in einem klas­si­schen Wahl­ver­fah­ren gewählt. Zu die­sem Zweck wird auf einer Betriebs­ver­samm­lung ein Wahl­vor­stand gewählt. Die­ser besteht für gewöhn­lich aus drei wahl­be­rech­tig­ten Mit­ar­bei­tern; einer von ihnen ist der Vor­sit­zen­de. Der Wahl­vor­stand beruft dann die Betriebs­rats­wah­len ein. Es han­delt sich dabei um eine gehei­me Ver­hält­nis­wahl. Die nächs­ten regu­lä­ren Betriebs­rats­wah­len fin­den im Jahr 2022 statt. Von die­ser Rege­lung kann unter Umstän­den abge­wi­chen wer­den. Das ist z.B. der Fall, wenn

  • der Betriebs­rat zum ers­ten Mal gewählt wird, 
  • die Zahl der stän­dig beschäf­ti­gen Arbeit­neh­mer um min­des­tens 50 gestie­gen oder gesun­ken ist bzw. sich hal­biert hat, 
  • die Zahl der vor­ge­schrie­be­nen Betriebs­rats­mit­glie­der unter­schrit­ten wurde, 
  • der Betriebs­rat vor­zei­tig zurück­ge­tre­ten ist, 
  • die Betriebs­rats­wahl ange­foch­ten wurde, 
  • der Betriebs­rat auf­ge­löst wur­de (im Zuge einer gericht­li­chen Entscheidung). 

Ist einer die­ser Fäl­le ein­ge­tre­ten, kommt es zu Son­der­wah­len. Die Amts­zeit der Betriebs­rats­mit­glie­der ver­kürzt sich dann entsprechend.

Mit­glie­der und Größe

Die Grö­ße des Betriebs­rats ori­en­tiert sich an der Anzahl der wahl­be­rech­tig­ten Arbeit­neh­mer. §9 BetrVG macht dazu kon­kre­te Vorgaben:

  • 5–20 wahl­be­rech­tig­te Arbeit­neh­mer: 1 Betriebsratsmitglied 
  • 21–50 wahl­be­rech­tig­te Arbeit­neh­mer: 3 Betriebsratsmitglieder 
  • 51–100 wahl­be­rech­tig­te Arbeit­neh­mer: 5 Betriebsratsmitglieder 
  • 101–200 wahl­be­rech­tig­te Arbeit­neh­mer: 7 Betriebsratsmitglieder 
Besprechung
em>Die Gre des Betriebsrats richtet sich nach der Anzahl der wahlberechtigten Arbeitnehmer./​em>

Der Betriebs­rat und sei­ne Aufgaben

Haupt­auf­ga­be des Betriebs­rats ist es sicher­zu­stel­len, dass die Inter­es­sen der Arbeit­neh­mer im Unter­neh­mens­all­tag aus­rei­chend Berück­sich­ti­gung fin­den. Zu die­sem Zweck muss der Betriebs­rat dar­auf ach­ten, dass die zuguns­ten der Arbeit­neh­mer gel­ten­den Geset­ze und Vor­schrif­ten gewahrt wer­den. Die ein­zel­nen Auf­ga­ben des Betriebs­rats umfas­sen aber noch wei­te­re wich­ti­ge Punk­te. Die­se wer­den in §80 BetrVG kon­kre­ti­siert. Dazu gehören:

  • Durch­set­zung der tat­säch­li­chen Gleich­be­rech­ti­gung von Mann und Frau 
  • För­de­rung der Ver­ein­bar­keit von Beruf und Familie 
  • Inte­gra­ti­on älte­rer, aus­län­di­scher und schwer­be­hin­der­ter Menschen 
  • Vor­be­rei­tung und Durch­füh­rung der Wahl zur Jugend- und Auszubildendenvertretung 
  • För­de­rung der Maß­nah­men des Arbeits­schut­zes und betrieb­li­chen Umweltschutzes 

Rech­te und Pflichten

Der Betriebs­rat ver­fügt über spe­zi­el­le Rech­te und steht unter einem beson­de­ren Schutz. Hin­ter­grund ist, dass zwi­schen Arbeit­ge­bern und Abreit­neh­mern Inter­es­sen­ge­gen­sät­ze auf­tre­ten kön­nen, die durch den Betriebs­rat aus­zu­glei­chen sind. Damit der Betriebs­rat die­ser Auf­ga­be nach­kom­men kann, ver­fügt er über ver­schie­de­ne Betei­li­gungs­rech­te. Dazu zäh­len das Unterrichtungs‑, Anhörungs‑, Beratungs‑, Zustim­mungs­ver­wei­ge­rungs- und Mit­be­stim­mungs­recht. Bei sämt­li­chen sozia­len und per­so­nel­len Ange­le­gen­hei­ten hat der Betriebs­rat das Recht, über Neue­run­gen infor­miert und dies­be­züg­lich ange­hört zu wer­den. Die Kün­di­gung eines Mit­ar­bei­ters kann der Betriebs­rat zwar nicht ver­hin­dern, er kann ihr aber wider­spre­chen. Bei bestimm­ten The­men bedarf die Durch­füh­rung von Maß­nah­men sogar der aus­drück­li­chen Zustim­mung durch den Betriebs­rat. Das ist bspw. bei der Arbeits­zeit­ge­stal­tung, der Anord­nung von Über­stun­den und Aspek­ten der Arbeits­si­cher­heit der Fall.

Der Betriebs­rat hat aber nicht nur Rech­te, son­dern auch Pflich­ten. Allen vor­an ist hier die Ver­schwie­gen­heits­pflicht zu nen­nen, die es den Betriebs­rats­mit­glie­dern ver­bie­tet, Per­so­nal­an­ge­le­gen­hei­ten, Betriebs­ge­heim­nis­se etc. an Drit­te wei­ter­zu­ge­ben. Zudem unter­lie­gen die Betriebs­rats­mit­glie­der der Pflicht auf Fort­bil­dung. Um ihren Auf­ga­ben gerecht zu wer­den und die Inter­es­sen der Arbeit­neh­mer pro­fes­sio­nell ver­tre­ten zu kön­nen, müs­sen Betriebs­rä­te Semi­na­re und Schu­lun­gen besu­chen, die sie ange­mes­sen auf die Betriebs­rats­ar­beit vor­be­rei­ten. Die­se müs­sen vom Arbeit­ge­ber bezahlt und der Betriebs­rat muss für die Teil­nah­me frei­ge­stellt werden.

Creatives Arbeiten
em>Der Arbeitgeber muss die Betriebsratsmitglieder fr bestimmte Ttigkeiten von ihrer Arbeit freistellen./​em>

Wes­halb der Betriebs­rat bei Start-ups so unbe­liebt ist

Das ist natür­lich mit einer gan­zen Men­ge Per­so­nal­kos­ten ver­bun­den. Hin­zu kommt, dass Arbeit­ge­ber dazu ver­pflich­tet sind, ihren Mit­ar­bei­tern die zur Betriebs­rats­ar­beit benö­tig­ten Arbeits­ma­te­ria­li­en und Büro­räu­me kos­ten­los zur Ver­fü­gung zu stel­len. Außer­dem müs­sen die Mit­glie­der dazu fähig sein, ihrer Betriebs­rats­tä­tig­keit wäh­rend ihrer eigent­li­chen Arbeits­zeit nach­kom­men zu kön­nen. Gera­de für Start-ups erschei­nen die­se Bedin­gun­gen zunächst alles ande­re als attrak­tiv, so dass vie­le jun­ge Unter­neh­men sich vor dem Zusam­men­kom­men eines Betriebs­rats in der eige­nen Fir­ma fürch­ten. Viel lie­ber wür­de man das ohne­hin schon begrenz­te Kapi­tal in das Unter­neh­mens­wachs­tum inves­tie­ren anstatt die­ses zusätz­lich für Per­so­nal­kos­ten aus­ge­ben zu müssen.

Betriebs­rat: Nicht nur für Arbeit­neh­mer von Vorteil

Dabei bringt ein Betriebs­rat durch­aus auch Vor­tei­le mit sich und das nicht nur für Arbeit­neh­mer. Der Betriebs­rat fun­giert als Sprach­rohr der Ange­stell­ten, die durch die Arbeit­neh­mer­ver­tre­tung ihre Sor­gen, Wün­sche und Pro­ble­me offen kom­mu­ni­zie­ren kön­nen, ohne direkt eine Kün­di­gung fürch­ten zu müs­sen. Die Mit­ar­bei­ter wer­den aktiv in wich­ti­ge Ent­schei­dungs­pro­zes­se ein­ge­bun­den. Durch die neu­en Mit­be­stim­mungs­rech­te gehen sie ihrer Arbeit zufrie­de­ner und moti­vier­ter nach. Das stei­gert nicht nur die Leis­tungs­fä­hig­keit, was sich posi­tiv auf die Wirt­schaft­lich­keit des gesam­ten Unter­neh­mens aus­wirkt. Auch eine Image­stei­ge­rung der Fir­ma ist eine häu­fi­ge Fol­ge von Betriebs­rats­ar­beit, da sich die Mit­ar­bei­ter dem Unter­neh­men zuge­hö­rig und eine stär­ke­re Ver­bun­den­heit zu die­sem fühlen. 

Abge­se­hen davon, dass Unter­neh­mer ohne­hin nicht dazu berech­tigt sind, die Grün­dung eines Betriebs­rats zu ver­hin­dern, soll­ten sie die­se im Gegen­teil sogar begrü­ßen. Der Betriebs­rat ist näm­lich alles ande­re als ein längst über­fäl­li­ges Relikt aus ver­gan­ge­nen Zei­ten. Statt­des­sen han­delt es sich um ein wich­ti­ges Organ eines Unter­neh­mens, das enor­me Poten­tia­le für Arbeit­neh­mer und Arbeit­ge­ber bereithält.